Ich bin Feministin, mein partner ist feminist

Unter Feminismus verstehe ich (wie viele andere Feminist:innen) die Gleichberechtigung aller Geschlechter. Es darf keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben. Dabei wurde in den letzten Jahrzehnten viel erreicht, insbesondere was die Gleichstellung von Frauen und Männern angeht. Trotzdem kann man nicht behaupten, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Wichtig hierbei ist, dass sich Feminismus nicht auf Einzelschicksale, sondern auf systematischen Sexismus (Diskriminierung aufgrund des Geschlechts) in unserer Gesellschaft bezieht. Dieser Sexismus verhindert zum Beispiel, dass Frauen die gleichen Möglichkeiten haben wie Männer. Aber Feminismus ist nicht nur auf die Gleichstellung innerhalb des binären Geschlechterverhältnisses von Frau und Mann gerichtet. Auch Menschen, die sich weder als Mann oder Frau identifizieren (diverse Personen), müssen Gleichberechtigung genießen. Und es ist absurd, diese Definition hier auszuschreiben und zu wissen, dass einige Menschen hiermit nicht übereinstimmen. Für mich ist es unverständlich, wie man kein:e Feminist:in sein kann. Ich denke, dass sich insbesondere Männer davor fürchten, dass ihnen etwas weggenommen wird. Diese Angst wird sich auch in Teilen materialisieren, da einige Männer zum Beispiel eine Beförderung nicht erhalten werden. Das liegt aber nicht an den Feminist:innen, die mehr Rechte für Frauen und diverse Personen einfordern als Männer sie derzeit haben. Durch einen gelebten Feminismus werden Frauen, diverse Personen und Männer die gleichen Chancen auf eine Beförderung haben. Die Beförderung wird also nicht automatisch an den Mann gehen, weil das Entscheidungsgremium nur ihn als möglichen Kandidaten ansieht. Stattdessen werden Frauen und diverse Personen im Entscheidungsprozess berücksichtigt, die Fähigkeiten aller werden gleichermaßen beleuchtet und schlussendlich wird die Person, die am besten auf die Stelle passt, ausgewählt. Und tja, das wird oft kein Mann sein.

Mittlerweile findet Sexismus sehr viel verdeckter statt, wie das Beispiel der Beförderung schon andeutet. Es könnte heutzutage erstmal so wirken, als ob Frauen die gleichen Rechte wie Männer besitzen. Sie gehen zur Schule und dürfen studieren (übrigens seit 1903). Der Anteil der Studentinnen liegt bei 40% bis 50%, es ist also noch nicht volle Gleichberechtigung eingetreten. Und obwohl so viele Frauen studieren, erhalten wesentlich mehr Männer als Frauen den Doktortitel. Warum? Der Anteil der Professorinnen liegt bei sieben Prozent. 7%! Warum?

Frauen dürfen ohne die Erlaubnis ihrer Männer arbeiten (seit 1958) und müssen bei ihrem Job auch nicht darauf achten, dass der Job mit „ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist“ (seit 1977). Trotzdem verdienen Männer sechs Prozent pro Stunde mehr als Frauen, die in den gleichen Positionen arbeiten und einen vergleichbaren Bildungsweg aufweisen. Warum? Der unbereinigte Gender Pay Gap in Deutschland liegt bei 18%. Dieser bezieht sich generell auf das Einkommen von Männern und Frauen. Frauen erhalten pro Arbeitsstunde 18% weniger Gehalt. Warum? Dieser Wert zeigt uns, wie viel mehr Männer im Durchschnitt verdienen, weil sie die besser bezahlten Jobs haben oder weil sie seltener in Teilzeit arbeiten.

Frauen dürfen wählen gehen und zur Wahl antreten (seit 1918) Dennoch sind mehr Männer als Frauen im Bundestag. Der Frauenanteil im Bundestag liegt bei 36%. Warum? Im Bundestag zu sein, bedeutet Macht zu haben und Bevölkerungsgruppen zu repräsentieren. Der Frauenanteil der Wahlberechtigten liegt bei mehr als 50%. Das heißt, dass in unserem Bundestag 14% der männlichen Abgeordneten ausschließlich Frauen repräsentieren. Warum? Und noch viel wichtiger, fühlt ihr Frauen euch repräsentiert?

Diese Beispiele kratzen nur an der Oberfläche! Es gibt viel mehr Themen/Lebensbereiche, in denen sich bei näherem Hinsehen Unterschiede zwischen Männern und Frauen erkennen lassen – zum Nachteil der Frauen. Um es statistisch auszudrücken: Der Gleichstellungswert in Deutschland liegt bei 67 Punkten von insgesamt möglichen 100 Punkten. Wir haben in Deutschland also noch 23 Punkte zu gehen. Die Antwort auf jedes „warum?“: struktureller Sexismus oder patriarchale Gesellschaftstrukturen. Aber natürlich ist es schwierig, die genauen Faktoren zu bestimmen, die diesen strukturellen Sexismus erst ermöglichen und begünstigen. Es ist heutzutage sehr viel komplizierter als einfach sagen zu können: „Wir dürfen nicht arbeiten. Lasst uns arbeiten!“ Der Kampf um Gleichberechtigung erfordert eine sehr viel feingliedrigere Betrachtung der Gesellschaft. Nur so können wir ein Verständnis dafür entwickeln, wie struktureller Sexismus in der Gesellschaft die Möglichkeiten von Frauen beschränkt. Das führt aber auch dazu, dass Feminist:innen sehr viel informierter sein und sich differenzierter ausdrücken müssen, was wiederum den Kampf um Gleichberechtigung erschwert. Zuletzt möchte ich auf den Vorwurf des weißen Feminismus hinweisen. Schwarze Feminist:innen und people of colour kritisieren, dass weiße Feminist:innen den Feminismus nur so weit denken, wie er weiße Frauen betrifft. Ich werde auf dieses Thema vertiefter in einem anderen Blogbeitrag eingehen.

Kim Jiyoung Geboren 1982 – Buchrezension

Mir hat dieses Buch von der Autorin Cho Nam-Joo ziemlich gut gefallen. Es wurde aus dem Koreanischen von Ki-Hyang Lee übersetzt. Die Geschichte spielt in Südkorea, von der Geburt der Protagonistin Kim Jiyoung im Jahr 1982 bis zum Jahr 2016. Ich finde es empfehlenswert, da die Autorin unaufgeregt und pointiert von jeglichen Facetten des Alltagsexismus erzählt, aber auch den darunterliegenden systematischen Sexismus in der koreanischen Gesellschaft beleuchtet. Viele der angesprochenen Themen sind auch in anderen Ländern und Kulturen verbreitet, zumindest habe ich mich in einigen Situationen wiederfinden können. Das Buch ist für all diejenigen, die sagen, dass unsere Gesellschaft nicht sexistisch ist und Frauen und Männer mittlerweile gleichwertig behandelt werden. Dem ist eben nicht so. Die Autorin führt uns durch das Leben von Kim Jiyoung, die als junges Mädchen in der Schule, als Tochter und als Schwester eines Bruders eine Rolle einnehmen muss. Immer gibt es männliche Protagonisten, die in das Leben von Kim Jiyoung eingreifen oder Einfluss auf ihr Leben ausüben können, ohne dass sie es will. Ich finde es sehr passend, dass sie studiert und sich für einen Studiengang ihrer Wahl entscheiden darf, da dadurch die Teilerfolge der Emanzipation der Frau gut widergespiegelt werden. Heutzutage ist es eben nicht mehr ein so offensichtlicher Sexismus, der frau unmittelbar die Rolle der Ehefrau, Mutter und Hausfrau aufdrängt. Insofern hat das Buch eine große Aktualität. Kim Jiyoung’s Emanzipation und ihre persönlichen Erfolge werden durch alle folgenden Ereignisse im Studium, in der Berufswelt und in der Ehe nahezu entkräftet.

Denn, obwohl Kim Jiyoung grundsätzlich erstmal die gleichen Möglichkeitenwie die Männer hat, wird im Buch sehr anschaulich geschildert, welche Zugänge den Frauen verwehrt bleiben. Frauen haben eine gewisse Rolle in der Gesellschaft und dafür müssen sie ja nicht an die besten Universitäten und in die gutbezahlten Jobs, oder? Die sogenannte gläserne Decke wird durch dieses Buch sehr gut verdeutlicht. Nur wenige Frauen schaffen es, sie zu durchbrechen. Und die Autorin lässt ihre Protagonistinnen auch reflektieren, welche Verantwortung sie gegenüber anderen Frauen tragen, wenn sie die Decke durchbrochen haben und mit am Entscheidungstisch sitzen, der traditionell von Männern besetzt worden ist. Welche Rechte muss, soll oder darf man einfordern? Inwieweit muss frau Wegbereiterin für die nachfolgende Generation sein? Persönlich will ich hier noch anmerken, dass es mich nervt, dass es immer die Frauen sind, die diese Verantwortung spüren. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass wir Frauen das System verändern werden, und wir dürfen uns daher nicht auf die Männer verlassen (aber sie hoffentlich hinter uns wissen).

Beinahe tragisch zu lesen wurde das Buch, als es um Kim Jiyoung als Ehefrau und (natürlich) um die damit verbundene Rolle als Mutter ging. Es wird so viel Druck auf sie aufgebaut. Sie will eigentlich (noch) gar nicht Mutter sein, sie würde gerne arbeiten. Und weil sie ein Leben führt, das nicht wirklich ihres ist, entwickelt sie eine psychische Krankheit. Dazu will ich aber nicht mehr sagen, um nichts vorwegzunehmen.

Das Buch ist auch für die Menschen wichtig, die sich als aufgeklärt sehen. Der Roman fasst im Endeffekt die Hürden, die Frauen in ihrem Leben erleben können, zusammen. Es macht Spaß, ihn zu lesen. Und mein „main take-away“ ist, dass frau für sich, ihre Wünsche und Interessen einstehen muss, denn im Endeffekt tut es niemand anders. Nur durch bewusste Entscheidungen und die Kommunikationen dieser werden wir ein Leben führen, das wir selbst gestalten und in dem wir die Hauptrolle spielen. Andere Rolle sind aber ebenfalls wichtig, so wie Kim Jiyoung ihre Schwester, Freundin und Chefin hatte, die sie gestärkt haben.

Insgesamt eine klare Leseempfehlung! Der Schreibstil und die Art der Erzählung wirken trocken, aber am Ende wird es eine interessante Aufklärung gebe, die das (beinahe) wett macht.

Kurzgeschichte – Unterwegs im Bus #1

Ich möchte eine Kurzggeschichte mit euch teilen, die ich geschrieben habe. Viel Spaß!

„Wie bindest du dir denn die Schuhe zu?“, fragt sie neugierig. Ich schaue aus dem Fenster. Der Stadtbus trottet dahin, öffnet seine Türen, schließt sie wieder. Ich sitze vollbepackt gegenüber von meiner Gesprächspartnerin. Ich gebe mir selbst die Schuld. Warum ist der Henkel meiner Tasche genau jetzt gerissen, während ich umzingelt von Menschen in einem Bus sitze. Warum sitze ich in einem Bus. Normalerweise fuhr ich immer mit dem Fahrrad. Nur heute erschien es mir, als könne ich mir den Bus gönnen. Gönnen, als wäre Bus fahren etwas Großartiges. Und dabei hätte ich wissen müssen, dass die Entscheidung, gemeinsam mit anderen Menschen durch den Stadtverkehr zu reisen, anstatt allein mit dem Fahrrad unterwegs zu sein nicht die beste Entscheidung ist. „Ganz normal eben“, lasse ich mich zu einer Antwort hinreißen. Ich möchte nicht unhöflich sein. Ich fange an zu überlegen, ob ich an einer früheren Bushaltestelle aussteigen soll. Das würde aber bedeuten, die schwere Tasche, die voll mit meinen Büchern ist, länger zu tragen. Heute ist ein aufregender Tag für mich. Ich werde einen Vortrag halten und benotet werden. Ich studiere Jura und bin gerade in meiner Examensvorbereitung. Die Bücher, die so schwer sind und pflichtschuldig neben mir in der blöden Tasche ohne Henkel liegen, sind Gesetzestexte. Ich denke darüber nach, dass der Ausdruck Bücher manchmal besser klingt als Gesetzestexte. Die Frau schaut mich mitleidig an. Sie ist um die 50, wahrscheinlich eher 60, aber wer weiß das schon so genau. Alles an ihr besteht aus Grautönen. Sie will liebevoll sein, Aufmerksamkeit demonstrieren. Aber vor allem möchte sie eine Geschichte haben, etwas, das nicht grau ist. Bei jedem anderen Mädchen, dem der Henkel einer Tasche abreißt, hätte sie kurz hin- und wieder weggeschaut. Aber diesmal hat sie ein zweites Mal hingeschaut und dann den Blick nicht mehr abgewendet. Das sind mir die Unliebsten, insbesondere da sie Fremde sind. „Ich könnte das ja nicht“, sagt die Frau und reißt mich aus meinen Gedanken. „Aber du machst das ganz toll.“ Sie nickt sie mir zu, der mitleidige Blick verstärkt sich. Ihre Augen wandern zu den meinen und ich weiß, dass sie Bestätigung sucht. Mein Blick geht nach oben zur Anzeige. Meine Haltestelle lässt auf sich warten. Ich habe mich entschieden, im Bus sitzen zu bleiben. Immerhin habe ich das Busticket gekauft. Ich frage mich, ob ich mich vielleicht umsetzen könnte. Manchmal träume ich davon, mutiger zu sein, weniger auf die Etiquette zu geben. Aber wie würde es auf die Frau wirken, wenn ich mich umsetzte. Ich möchte sie nicht verletzen, auch wenn sie eine Fremde ist. Endlich erscheint die Haltestelle auf der Anzeige, es ist bald so weit. Aber eine letzte Frage werde ich noch hören, da bin ich mir sicher. Ich fange an, meine Sachen zusammenzupacken und versuche Aufbruchstimmung zu vermitteln. Der Blick der Frau ruht auf meinem Arm, dem Arm ohne Hand. „Hattest du einen Unfall?“, fragt sie interessiert. Ich schlucke und stehe auf. Ich kann mich zu einem „Nein, tschüss, ich muss los“ durchringen. Die Tür des Busses öffnet sich, schließt hinter mir und ich kann wieder durchatmen. Es fühlt sich wie Freiheit an. Für einen Moment lasse ich die plötzliche Anonymität auf mich wirken. Ich ziehe meinen Jackenärmel wieder runter, um meine Behinderung zu verstecken und mache mich auf den Weg zu meinem Vortrag.

Bundesverwaltungsgericht zu „All genders welcome“

Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2022 über einen Fall zu entscheiden – und bevor ihr jetzt vor Langeweile weg klickt, lest bitte den Satz bis zum Ende! – in dem es darum ging, ob eine vergebene Soldatin auf Tinder aktiv nach Sexpartner:innen suchen darf.

Erstmal ein bisschen zu dem Sachverhalt, über den das Gericht zu entscheiden hatte:

Die Beschwerdeführerin – d.h. die Person, die einen Fall vor das Bundesverwaltungsgericht bringt – sei Berufssoldatin und genieße überregionale Bekanntheit als erste transgeschlechtliche Bataillonskommandeurin der Bundeswehr. Mit Disziplinarverfügung vom 01.08.2019 verhängte ihr damaliger Disziplinarvorgesetzter gegen sie einen Verweis mit folgendem Vorwurf (der zugegeben sehr juristisch klingt!):

Sie habe zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt, jedoch nicht vor dem 20.3.2019, und an einem nicht mehr feststellbaren Ort das als Anlage beiliegende Foto mit dem folgenden Text „Anastasia 45 spontan, lustvoll, trans, offene Beziehung und auf der Suche nach Sex. All genders welcome“ bei der Dating-App Tinder eingestellt. Dies solle sie unterlassen.

So viel zu der Ausgangslage, die mich doch auch ein bisschen zum Schmunzeln bringt. Das Thema ist aber natürlich sehr ernst und wichtig, daher möchte ich hier darüber sprechen. Die Soldatin hat Beschwerde gegen diesen Verweis erhoben, aber hatte vor dem Dienstgericht keinen Erfolg. Das bedeutet: Das Gericht fand es okay, dass mit diesem Verweis derart in ihre Privatsphäre eingegriffen wurde. Stellt euch den Fall mal vor, wenn es um einen weißen cis-Mann gehen würde. Die Soldatin wollte die Gerichtsentscheidung nicht hinnehmen und zog vor das Bundesverwaltungsgericht. Bei allem, was folgt, müsst ihr im Hinterkopf behalten, dass es um eine Beamtin mit gewissen Treuepflichten gegenüber dem Staat, aber eben auch um eine Privatperson mit dem Recht auf sexuelle Freiheit geht.

Und immerhin hat das Bundesverwaltungsgericht sich aktiv gegen die Wertungen des Dienstgerichts gewendet. Denn von diesem Gericht wurde nur beleuchtet, ob ein:e Soldat:in mit ihrem außerberuflichen Verhalten Anlass dazu gibt, dass das Vertrauen in ihre Person oder ihr Ansehen beeinträchtigt werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht hat zurecht klargestellt, dass diese Beeinträchtigung ernsthaft zu befürchten sein muss und damit den Maßstab erhöht. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch absolut richtig gesagt, dass die Pflicht einer jeden Beamtin und eines jeden Beamten immer mit den Grundrechten der Person abgewogen werden muss. Und jeder Mensch hat ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, auch darauf, dass die sexuellen Wünsche öffentlich kommuniziert werden können. Das gilt auch für Menschen im Staatsdienst. Denn auch diese Menschen dürfen ihre innersten menschlichen Bedürfnisse haben, wozu natürlich auch ein sexuelles Verlangen gehört.

Im Endergebnis hat aber auch das Bundesverwaltungsgericht den Verweis gegenüber der Soldatin als okay eingestuft. Das Verhalten der Soldatin – die Tinder-Anzeige – lasse an ihrer Integrität zweifeln. Für mich ist das unverständlich. Warum ist das Verhalten der Soldatin mit den Grundsätzen des Berufsbeamtentums unvereinbar? Die Begründung soll sein, dass die Soldatin mit ihren Worten „lustvoll, auf der Suche nach Sex“ und insbesondere mit dem Zusatz „all genders welcome“ ausgedrückt habe, dass sie um jeden Preis sofort Sex wolle. Und mit dieser Grundvoraussetzung sei sie dann nicht mehr geeignet, Disziplinarmaßnahmen gegenüber Menschen zu verhängen, die sexuell übergriffig waren. BITTE WAS? Das Gericht setzt hier konsensualen Sex zwischen Menschen, die bei Tinder nach Sexpartner:innen suchen mit Straftätern gleich! Konsensualer Sex, egal mit wie vielen Parner:innen (zugleich oder zu verschiedenen Zeitunkten) und egal um welche sexuellen Handlungen es sich handelt, ist immer noch konsensual. Menschen, die sexuell übergriffig werden, handeln gerade nicht mit Konsens. Und es ist wirklich krass, dass sexuell offenen Menschen unterstellt wird, dass sie keine oder zumindest eine erheblich eingeschränktere charackterliche Integrität haben.

Und ich frage mich, hätte das Bundesverwaltungsgericht diese Wertung auch dann angestellt, wenn in dem Profil nicht „all genders welcome“ gestanden hätte? Und wenn nicht, ist diese Entscheidung dann nicht diskriminierend gegenüber Personen, die in der Wahl ihrer Sexpartner:innen fluid sind, d.h. dass sie offen für sexuelle Kontakte mit allen (eben auch nicht-binären) Geschlechtern sind? Es ist ja eben nicht so, dass die Person „all genders welcome“ in ihr Tinder-Profil geschrieben hat, um eine möglichst große und sofort verfügbare Auswahl an Sexpartner:innen zu haben. Mich hat dieses Urteil und die darin zum Ausdruck kommenden Wertvorstellungen schockiert. Wer einen detaillierten Kommentar lesen möchte, wird hier zu Legal Tribune Online verwiesen.

Einsamkeit im politischen Kampf

Mit der Zeit habe ich viele Gründe gefunden, einen Blog zu starten, aber der prägendste ist für mich, dass ich noch nicht meine Gang gefunden habe, meine Verbündeten, meine Sisterhood, mit denen ich zusammen gegen das Übel dieser Welt ankämpfen kann. Klingt das melodramatisch? Ja, das soll es auch. Aber es ist (in Bezug auf mein politisches Engagement) wahr.

Von meinem nahen Umfeld habe ich die verschiedensten Kommentare zu meinem parteipolitischen Engagement gehört, aber gemein war diesen, dass sie ausschließlich beschreibend waren. Es sei toll, dass ich das machen würde. Spannend, was ich so erleben würde. Abschreckend, was ich erlebt hätte. Aber niemand könne sich das wirklich für sich selbst vorstellen. Daher habe ich mein Privatleben und mein parteipolitisches Engagement – außer in den Momenten, die mich auf persönlicher Ebene beschäftigt haben – getrennt.

Ich habe durch ein Gespräch mit einer Freundin etwas sehr Wichtiges gelernt. Wir alle haben für uns wichtige Projekte/Hobbies, mit denen andere Menschen und selbst enge Freund:innen wenig anfangen können. Es ist daher wichtig, sich nach Menschen umzuschauen und sich mit denen auszutauschen, die ähnliche Ziele verfolgen. Ich halte es für elementar, dass frau sich eine Gruppe an Verbündeten sucht, um sich untereinander zu unterstützen, aufzubauen und zu motivieren, wenn frau (gesellschafts-)politisch aktiv sein möchte. Ansonsten wird frau von der Gegenwehr, den dummen Kommentaren und den patriarchalen Machenschaften zermürbt (wieder zugleich melodramatisch und wahr). Ich hatte leider nicht das Glück, diese Menschen im Rahmen meines politischen Engagements zu finden. Zumindest war kein Bündnis eng und stark genug, um mein Bedürfnis an Unterstützung zu decken. Für die Zukunft hoffe ich, meine Sisterhood in einem neuen Ehrenamt zu finden. Bis dahin werde ich diesen Blog nutzen, um meine Gedanken zu sortieren und mich selbst zu motivieren, weiter zu machen.